Turmurkunde aus dem Jahre 1907

Im Sommer des Jahres 2000 hat man den Kirchturm der Schleeriether Kirche restauriert. Hierbei wurden im Knopf verschiedene Urkunden sowie einige Geldscheine gefunden. Um die immer schwieriger lesbar werdenden Urkunden in Alt-Deutscher Schrift (hier: Sütterlin) inhaltlich zu sichern, wurde im Jahr 2000 eine Übersetzung in die zu unserer Zeit übliche Lateinische Schrift durchgeführt. Die Originalurkunde aus dem Jahre 1907 (Bild, Ausschnitt) befand sich in gut lesbarem Zustand. Weiter unten folgt der vollständige Übertrag in die lateinische Schrift, mit Erläuterungen zu den darin aufgeführten alten Begriffen...

Am Mittwoch den 5. Mai 1907 wurde der Knopf nebst Kreuz von Herrn Schieferdeckermeister Körber von Werneck abgenommen um selbes reparieren zu lassen. Das Kreuz war vollständig krumm gebogen von dem kollosalen Sturmwinde am 31. Mai 1906 wo der Sturmwind hier cirka 10 Bäume entwurzelte u. das Kirchendach ein Stück abdeckte. In Egenhausen hingegen fielen dem Unwetter über 500 Stück der stärksten Obstbäume zum Opfer. Die Kugel oder Knopf wurde von einem jungen Lehrer mit einem Zimmerstutzen vollständig durchlöchert und wurde in Werneck von Herr Spenglermeister Arnold wieder verlödet u. frisch vergoldet. Am 19. Juli 1896 hatten wir hier Einquartierung (27). Es ist zwar nicht festgestellt aber doch vermuthete man das durch Unachtsamkeit der Soldaten ein Brand in H.Nr. 23 ausbrach, der sich so rasch verbreitete daß bis die Leute zusammen kamen bereits auch die Scheunen von H.Nr. 24 und 25 in Brand standen, auch die Scheune von Nr. 26 fiel noch zum Opfer u. sämtliche angebaute Nebengebäude. Am 16. Juli 1901 schlug der Blitz abends um 10 Uhr in die Scheune von H.Nr. 31 und äscherte dann noch die Scheunen von Nr. 32 und 33 ein. Telefonanschluß erhielten wir hier im Jahre 1901. Auch ist eine Lokalbahn in Aussicht von Schweinfurt über Geldersheim zwischen Schleerieth und Egenhausen über Kaisten, Schwemmelsbach Endstation Wülfershausen. Projektierungskosten und Grunderwerb müssen von den Gemeinden bezahlt werden was sich nach dem Kostenvoranschlag auf 192.000 M. belaufen soll. Sämtliche beteiligten Gemeinden sind mit einverstanden bis auf Geldersheim, woran schließlich noch das Projekt scheidern kann. Eine Furwerkswaage wurde heuer aufgestellt und kostet die ganze Waage fertiggestellt 1300 (?) M. Der Pfründeinhaber der hiesigen Pfarrei ist z. Z. Edmund Stenger, und der jetzige Lehrer heißt Theodor Nöth. Bürgermeister ist Konrad Pfister, Beigeordneter Friedrich Zeißner, Johann Rettner Gemeindekassier, Joseph Schraut Armen- u. Schulkassier, Andreas Rottmann, Melchior Ziegler Gemeinde Verwaltungs=Mitglieder. Johann Rottmann Kirchenpfleger u. Andreas Neubert Heiligenmeister. Im Jahre 1906 befiel die Weinberge die Blattfallkrankheit |:Peronospera (28):| so daß die Weinberge im Spätsommer vollständig kahl dastanden, das Holz konnte infolgedessen nicht ausreisen u. es musten heuer beim Schneiden sämtliche Reben abgeschnitten werden da sämtliche Reben dürr waren. Das Gemeinderecht wurde von den auswärtigen Umlagepflichtigen angefochten und wird auch höchst warscheinlich eingebüst werden von den Rechtlern u. fällt der Gemeindekasse anheim, was ein ungefährer Schaden von 1000 bis 1200 M. für einen Rechtler bedeutet. Schleerieth hat zur Zeit 59 HNo. und 296 Einw. Der älteste Mann ist z. Z. Michael Schmitt 78 Jahre alt u. die älteste Frau, Anna Maria Pfister vulgo jochum 83 Jahre alt.

Schleerieth, 8. Mai 1907

Konrad Pfister, Bürgermeister

 

Erläuterungen

Fußnote Begriff Erläuterung
27 Einquartierung Unterbringung von Truppen in Privathäusern außerhalb der Standorte, auch Bezeichnung für die untergebrachte Truppe selbst
28 Peronospera lat. für "falscher Mehltau", für Rebblätter gefährliche Pilzkrankheit

 

(Quelle: aus den Originalurkunden (Sütterlin-Schrift) übertragen und zusammengestellt von Martin Pfister, Schleerieth, im Jahre 2000)